Exkursion Verdun 2023

Zu fragen, ob unsere Erwartungen an Verdun getroffen wurden oder nicht, wäre ein falscher Ansatz. Man kann nicht erwarten, was sich uns in diesen zwei Tagen auf einem der brutalsten Schlachtfelder der Menschheitsgeschichte gezeigt hat.

In der Schule spricht man oft von den Daten der Schlachten. Den Gefallenen des Ersten Weltkrieges, den eingesetzten Waffen, den politischen Verhältnissen und dem Verlauf der Schlachten. Verdun ist nur einer von vielen flüchtigen Namen, der häufiger als andere auftaucht. Doch selbst auf diesem Schlachtfeld zu stehen, mehr als 100 Jahre nach der eigentlichen Auseinandersetzung, wirft ein anderes Licht auf den Namen “Verdun”.

Der größte bemerkbare Unterschied zu dem Unterricht der Schule war der Fokus der Führungen und Erklärungen auf das Individuum. Wir haben uns das zerstörte Dorf Fleury angeschaut mit dem Gedanken, dass alle Bewohner ihre Lebensgrundlage verloren haben. Dass jeder Krater, an dessen Stelle mal ein Gebäude stand, einer Familie gehörte. Dass der Boden unter unseren Füßen von Giftgas verseucht und von Artillerie durchlöchert war. Dass kein einziger Baum, keine einzige Pflanze in unserem Sichtfeld existierte. Der darauffolgende Besuch im Museum verdeutlichte diesen Eindruck nochmal. Schockierende Landschaftsaufnahmen, die man glatt für eine Mondlandschaft halten könnte, prägten den Tag. Viele Schülerinnen und Schüler fanden sich auch bei erhaltenen Briefen der Soldaten wieder. Auch hier findet sich der Bezug zu einzelnen Personen wieder. Zu verstehen, dass jeder Soldat in diesem Krieg eine denkende und fühlende Person in sich war, klingt vielleicht banal, nach einer Selbstverständlichkeit. Doch es passiert sehr leicht, über diesen Fakt hinwegzuschauen und diese Menschen als Zahlen abzustempeln.

Der zweite Tag fing genau dort wieder an, wo der erste Tag aufhörte. Der erste Halt, das stark umkämpfte “Fort Vaux” genügte, um allen die Bedeutung der “Hölle von Verdun” klar vor Augen zu führen. Hier erkannten wir, dass nicht nur der Feind gegen einen kämpfte, die Umgebung und der eigene Körper waren ein mindestens genauso großer Gegner, der sich aber nicht durch Gewehr und Artillerie niederstrecken ließ. Die Psyche der Soldaten musste den Verlust von Kameraden ertragen und die konstante Angst vor Gas, Granaten oder dem nächsten feindlichen Sturmangriff. Der Körper musste Verletzungen aushalten. Krankheiten und Infektionen überstehen und dem Mangel an Wasser und Nahrung trotzen. Solche Gegebenheiten kann man keinem Menschen zumuten, und dennoch geht man durch die feuchten Gänge und wird durchgängig an die tausenden Soldaten erinnert, die hier gelebt, gekämpft und getötet haben.

Fort von der Festung zum letzten großen Haltepunkt der Exkursion, dem Gebeinhaus von Verdun. Dieser Ort lässt sich nur in einem Zwiespalt beschreiben. Eine Anhöhe mit einem wunderschön gemähten Rasen, an dessen höchstem Punkt das fast schon heilige Gebeinhaus steht. Ein atemberaubender Ausblick von seiner Spitze, und doch verblassen diese schönen Anblicke bei näherer Betrachtung seiner Umgebung. Der Rasen übersät von mehreren tausenden Grabsteinen. Die Keller des Gebeinhauses, gefüllt mit den Knochen gefallener Soldaten. Doch der wahrscheinlich bedrückendste Eindruck war das Innere des Gebeinhauses. Wände und Decken sind nahezu lückenlos beschriftet mit den Indizien von toten Soldaten. Familien, die ihre Angehörigen in Erinnerung halten wollen, wecken ein letztes Mal das Gewissen. Und der Gedanke, dass jedes Grab, jedes Skelett im Keller und jede Inschrift auf einen Menschen hinweist, der Eltern hatte. Das Wissen über die zahllosen auseinandergerissenen Familien erzeugt diesen Zwiespalt.

Doch ich möchte nicht den Eindruck vermitteln, dass Gefühle von Grauen und Trauer die Exkursion gefüllt haben. Denn es gab auch zahlreiche freudige Momente. Die Chance, außerhalb des Schulgebäudes mit Lehrern und der Klassenstufe, Zeit zu verbringen, zeigte sich sehr positiv aufgenommen. Viel Lachen und gute Stimmung prägten jede Busfahrt. Sogar Lehrkräfte können nette Menschen werden, wenn sie keine Noten zu vergeben haben….. Für Freunde der französischen Sprache boten sich genügend Möglichkeiten ihre Kenntnisse in der Praxis zu testen, und sogar die nicht-französisch Sprechenden hatten ihren Spaß.

Mein persönlicher Dank geht an alle Personen (Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Leitpersonen und natürlich auch Busfahrer), die diese zwei Tage so gelingen ließen.

Bedanken möchten wir uns auch bei unserem Förderverein sowie bei der Stiftung „Gedenken und Frieden“ und dem Pädagogischen Landesinstitut für die finanzielle Unterstützung.

Autor: Jan Rausch (Klassenstufe 12)