Mehr als 50 verschiedene Charaktere sprechen im ersten Teil Goethes bekanntester Tragödie „Faust“?! Dass ein Schauspieler alleine das Stück spielen könne, schien den Schülern der Deutsch-Leistungskurse der zwölften Klasse, die sich einige Zeit mit Goethes Lebenswerk auseinandersetzten, schier unvorstellbar. Theatermacher und Schauspieler Ekkehart Voigt überzeugte: Es geht.
Dienstag, 30. Januar, zweite Pause. Mit Ausnahme der angehenden Abiturienten versammelt sich die gesamte Oberstufe des Kurfürst-Balduin-Gymnasiums im Forum der Schule, unsicher, was sie erwartet. Jeder versucht, einen möglichst guten Sitzplatz zu ergattern: Nicht zu weit vorne, dort könnte man auffallen, schließlich war einigen Schülern bereits vorher bekannt, dass der angekündigte Schauspieler mit dem Publikum interagieren würde, aber auch nicht zu weit hinten, dort könnte man zu wenig mitbekommen.
Ekkehart Voigt spielt mit dieser „Angst“ der Schüler. Er schlüpft in die Rolle des Teufelslehrers, der an einer Teufelsschule unterrichtet und seinen Schülern nicht nur „Faust“, sondern auch die Kunst des Manipulierens beibringt. Anders als in anderen Theatervorführungen ist das Publikum nicht nur Zuschauer, sondern aktiver Teil des Stückes. Der Teufelslehrer schafft sich eine Autorität, die spürbar im Raum liegt. Während er nach und nach die Geschichte der Wette zwischen Gott und Teufel und des Paktes zwischen Faust und Mephisto erzählt, nein, verkörpert, lässt er Schüler als Spitzbögen auf Stühle steigen, wenn die Szene im gothischen Studierzimmer Fausts stattfindet, oder lässt sie mit einem Ballon-Hund, symbolisch für Mephistos Auftreten als Pudel, um die Audienz herumspazieren.
Er schlüpft in die Rollen von Faust und Marthe, wechselt in Bruchteilen einer Sekunde zwischen verschiedensten Figuren hin und her und stellt sie mit einer solchen Überspitztheit dar, dass der aufmerksame Zuschauer sofort erkennt, wen er nun verkörpert: den schelmisch teuflischen Mephisto, der gerissen gekrümmt geht, oder Gretchen mit ihrer unschuldig hohen Stimme. Im Finale stellt der Teufelslehrer schließlich des Teufels Sieg über Faust dar und beantwortet dessen Eingangsfrage, dass er erkennen will, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, mit der schlichten Feststellung, dass es die Liebe sei.
Doch was möchte Ekkehart Voigt den Schülern mit seiner Inszenierung auf den Weg geben? Dies wurde in einem Nachgespräch klarer, in dem die Schüler Fragen zu seinem Stück und Leben stellen konnten, die ausführlich beantwortet wurden. Seine vorherige Autorität und Strenge als Teufelslehrer waren in ihm als Mensch nicht wiederzuerkennen: Abseits der Bühne wirkte Voigt gelassen und besonnen. Auf die Frage, welche Rolle er am liebsten spiele, antwortete er, dass es jede sei: er empfinde die meiste Freude, wenn er beim Spielen präsent, zu 100% im Moment sei.
Dies mag auch die Lösung auf das von ihm porträtierte Thema des Stückes sein: Es soll die Wahrnehmung der Schüler schärfen und ihnen die Arten der Manipulation zeigen, die während der Vorführung auch an ihnen vorgenommen wurden, genau so wie Faust von Mephisto manipuliert wird.
Ob dies bei allen Oberstufenschülern des Kuba ankam, ist fraglich, vor allem bei den Kursen, die das Buch zuvor nicht gelesen hatten und daher nicht alles verstanden. Das Ein-Mann-Theater traf somit auf gemischte Resonanz: Während es für einige eine Bereicherung war, konnten sich andere keinen Reim auf das Stück machen. Klar ist aber, dass Manipulation in unserer heutigen Welt noch immer eine Rolle spielt und die Lehre der Tragödie daher noch immer Geltung hat. Eine Wiederholung für die folgenden Jahrgänge ist dementsprechend zu erwarten.
Felicitas Welter, Tawan Kampa (12D1)